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Verfasst von Bernd Kreutz um 11:32 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Islamic State-Tweet nach TV-Ausstrahlung der DSDS-Eventshow von RTL in Ischgl (Bildschirmfoto: reklamehimmel.de)
Es ist gerade mal ein Tag her, dass der reklamehimmel ein typisches Beispiel unprofessioneller Online-Werbung professioneller Online-Werber beschrieben hat, da demonstrieren die vermeintlichen Amateure des Islamischen Staates den vermeintlichen Online-Werbeprofis eines Industrie-Staates, was strategisches und operatives Geschick ist.
Noch während sich Deutschlands „Unterschichts-Fernsehpublikum” (Zitat: Harald Schmidt) über das gerade Gesehene über Twitter austauscht, streut der Islamische Staat raffiniert gemachte Botschaften inklusive Videos ein. Offensichtliches Ziel: Rekrutierung von Personal.
Was sagt die Politik dazu? Wir sind gespannt.
Verfasst von Bernd Kreutz um 12:09 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Schreib mal wieder: Werbung kann so einfach und schön sein (Fotos: Bernd Kreutz)
Wer viel reist und Reisen Online bucht, macht immer häufiger extrem belästigende Erfahrungen mit Online-Werbung. Ob Flug nach Shanghai, Übernachtung in Dresden, Zugfahrt nach Montreux: kaum ist das Kreditkarten-Konto belastet, startet eine Online-Dauer-Werbeattacke mit Flug-Angeboten nach Shanghai, Hotelangeboten in Dresden, Zugfahrten nach Montreux.
Würde einem ein Metzger, bei dem man gerade Schweinehirn gekauft hat, anschließend einen Newsletter schicken mit der Schlagzeile „Heute frisches Schweinehirn”? Garantiert nicht.
Das Rätsel, warum ausgerechnet Reisevermittler und deren „Digital-Dienstleister” Kunden auf so aberwitzig dumme Weise nerven, ist bislang ungelöst. Es ist nicht auszuschließen, dass es mit der Beschaffenheit von digitalem Werbehirn zu tun hat.
Umso erfreulicher ist es, wie Reisende „vor Ort” vermehrt mit kleinen Aufmerksamkeiten umworben werden. Sogar die gute alte Postkarte mit Grüßen des Hotelteams erfährt eine Renaissance (z.B. Hotel Suitess, Dresden).
Und selbst Frühstücksbananen funktionieren als Werbeträger, die gute Laune machen, wenn sie richtig beschriftet sind (z.B. Hotel Hampton, Berlin).
Das ist bestes Werbe-Handwerk. Mit Liebe zum Detail.
Verfasst von Bernd Kreutz um 12:39 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Verfasst von Bernd Kreutz um 09:35 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Oben: Amir Kassaei, der Bill Bernbach des 21. Jahrhunderts? (Foto: ADWEEK); unten: Werbefoto mit Ferdinand Piëch (Foto: Carl Fischer)
Amir Kassaei ist seit 2011 Chief Creative Officer von DDB Worldwide. Er ist damit so etwas wie der Nachfolger des Werbe-Gottes auf Erden, William "Bill" Bernbach, dem B in DDB.
Bill Bernbach hat im Laufe seines Lebens viele kluge Sachen gesagt und gemacht. Gemacht hat er unter anderem die wahrscheinlich erfolgreichste Automobilwerbung aller Zeiten, nämlich die für den ersten Volkswagen. Dafür hielt Volkswagen der Agentur bis heute die Treue. Was er sonst noch gemacht und gesagt hat, weiß, wer dieses Buch gelesen hat: A History of Advertising That Changed the History of Advertising. Also jeder, der heute mit Werbung sein Geld verdient.
Von seinem Nachfolger Kassaei heißt es zwar, er habe schon über tausend Werbepreise eingeheimst, aber es erweist sich als extrem schwierig, wenn nicht unmöglich, auch nur eine einzige Idee von ihm nachzuweisen, mit deren Hilfe es gelungen wäre, zur nachhaltigen Wertschöpfung eines Auftraggebers erheblich beigetragen zu haben.
Weniger schwierig ist es, Herrn Kassaei in den Medien aufzuspüren. Für großes Gelächter sorgte gerade eine Homestory von Architektur & Wohnen in seinem Berliner Loft. Dazu passt wunderbar ein berühmtes Bernbach-Zitat: ”Don’t confuse good taste with the absence of taste.”
Zum Heulen ist ein Interview, das W&V gestern veröffentlichte.
Zitat: „Auch die Definition, was eine Marke ist, verändert sich dramatisch. Eine Marke ist nicht eine Idee oder ein Versprechen oder eine Vision. Eine Marke ist die Summe aller relevanten Interaktionen und Erfahrungen, die ich mit einem Unternehmen habe und mache. Wenn das stimmt, dann bedeutet es, dass man eine Marke nicht am Reißbrett kreieren kann, sondern qua Unternehmensstrategie und mit jeder unternehmerischen Entscheidung eine Marke kreiert und pflegt. Das bedeutet dann aber auch in der Konsequenz, dass 99 Prozent aller Unternehmen, die immer noch Sales-getrieben funktionieren sich zu marketing-getriebenen Unternehmen wandeln müssen.”
Um den ganzen Wahnsinn dieses abstrusen Gedankenkonvoluts zu erfassen, muss man sich diese Sätze einzeln, sehr, sehr langsam und mit ausgedehnten Pausen auf der Zunge zergehen lassen. In den Pausen empfiehlt sich, die Erfolgsgeschichte des Dresdner Unternehmers Karl August Lingner vom Ende des 19. Jahrhunderts Revue passieren zu lassen und mit Herrn Kassaeis gestammeltem Werbersprech abzugleichen. Danach nicht vergessen: Mund spülen mit Odol.
Weder zum Lachen noch zum Heulen, sondern einfach nur Ausdruck mangelnder Erziehung und schlechten Benehmens sind viele seiner sonstigen Bemerkungen über die Werbebranche und deren Vertreter. Als „Klischeebild des Werbefritzen” klassifizierte ihn deshalb schon ein Präsident des Gesamtverbandes der Werbeagenturen.
Ferdinand Piëch, Großaktionär und Aufsichtratsvorsitzender bei VW, wird auch gerade vorgeworfen, sich schlecht benommen zu haben („Ich bin auf Distanz zu Martin Winterkorn”). Das war freilich kein schlechtes Benehmen, sondern strategisches Kalkül.
Wie wohlerzogen Herr Piëch ist, hat er bei einem zufälligen Treffen mit dem reklamehimmel-Autor in beider Lieblingshotel am Bodensee unter Beweis gestellt. Beide kennen sich seit Mitte der 1970er-Jahre, wo sie in einem Münchner Studio bei der Foto- und Filmproduktion einer DDB-Kampagne für Audi aufeinandergetroffen sind.
Sich an die Blütezeit der Zusammenarbeit des VW-Konzerns und DDB erinnernd, konnte natürlich eine Frage nicht ausbleiben: „Herr Piëch, was halten Sie eigentlich von Typen wie Herrn Kassaei, dem Bernbach von heute?”
Herr Piëch zeigte sein maliziösestes Lächeln. Und schwieg.
Verfasst von Bernd Kreutz um 19:41 Uhr in Gerüchteküche | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Von oben nach unten: Post an Sascha Lobo, NDR-Info zu Sascha Lobo-Interview, ZDF-Talkshow mit Sascha Lobo, Buchklappenporträt Sascha Lobo, Webpage von Sascha Lobo
Kaum war ein Germanwings-Flugzeug mit über 150 Passagieren und Besatzungsmitgliedern in eine Bergwand der französischen Alpen gerast, hat sich im Fernsehen ein Mann mit rotgefärbter Irokesenhaartracht zu Wort gemeldet: „Wir wissen einfach noch nicht als Gesellschaft, wie wir im Digitalen mit solchen Tragödien umgehen.” Noch irrer als dieser Satz war naturgemäß die dazugehörige Frage des öffentlich-rechtlich bestallten TV-Journalisten: „Wie reagiert man richtig auf so eine schreckliche Nachricht? Darüber gibt es grundverschiedene Vorstellungen. Der Blogger, Journalist und Autor Sascha Lobo hat die Reaktionen beobachtet und versucht, diese einzuordnen.” Auf die nächstliegende Antwort sind beide nicht gekommen: einfach mal die Klappe halten.
Kaum war das Feuer nach dem Brandanschlag auf das – gottseidank noch unbewohnte – Flüchtlingsheim in Tröglitz gelöscht, trat der Mann mit dem Irokesenschnitt schon wieder im Fernsehen auf. Diesmal ging es in einer Talkshow um die Bewertung von widerwärtigen Facebook-Kommentaren zu dem Vorfall in Sachsen-Anhalt. „Es ist eine neue Qualität des Internet, dass man in die Köpfe der Leute hineingucken kann......ich glaube, dass wir leider akzeptieren müssen: Tröglitz ist überall” lautete diesmal eine der Plattitüden des Gastes, den die Moderatorin unter anderem als Internet-Aktivist vorstellte.
Spätestens seit der letzten Bundestagswahl hat dieser Internet-Erklär-Indianer eine mediale Omnipräsenz gewonnen, die faszinierend und erschreckend zugleich ist.
Erschreckend ist sie, weil sie wie unter einem Mikroskop die problematischen Veränderungen im Berufsbild des Journalisten zeigt. Gerade jetzt, in Zeiten weltweiter gesellschaftlicher Instabilitäten, in denen wir mehr als je zuvor auf unabhängige, fundierte und verlässliche Informationen, profunde Analysen sowie eine medienadäquate seriöse Vermittlung angewiesen sind, ausgerechnet jetzt sehen wir uns in Deutschland einem Medienbetrieb ausgeliefert, der trotz Milliardenbudgets inzwischen sogar zu blöd zu sein scheint, mit eigenem Personal Facebook-Kommentare einzuordnen und bewerten zu lassen oder sich über „Beileidsbekundungen in den sozialen Netzwerken” Gedanken zu machen.
Faszinierend ist sie, weil diese Kunstfigur namens Sascha Lobo, hinter der sich ein 40-jähriger Berliner gleichen Namens verbirgt, eine bemerkenswerte Art der Selbstvermarktung und Selbstverwirklichung betreibt.
Man muss sich nur an sein zusammen mit Holm Friebe geschriebenes, 2006 veröffentlichtes Buch mit dem Titel „Wir nennen es Arbeit” erinnern. Der Untertitel „Die digitale Bohème oder Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung” ließ vermuten, dass sich hier jemand auf eigenständige, kluge und programmatische Weise mit Gesellschaft und Zukunft der Arbeit auseinandergesetzt hat. Von Kritikern unbemerkt war das Buch aber hauptsächlich ein geschickt verpacktes Bewerbungsschreiben von zwei Freiberuflern auf der Suche nach gutbezahlter Arbeit. Schließlich war das Internet immer noch „Neuland” und produzierte einen gewaltigen Beratungsbedarf in Unternehmen, Politik und Medien. Lobo hat, wie seine Frisurwechsel verrät, aus der gründlichen Beschäftigung mit dem Thema erkennbar viel auch selbst dazugelernt und profitabel umzusetzen verstanden – auch wenn er im Kapitel „Die Währung Respekt” über den Mensch als Marke etliches durcheinanderbrachte.
Am Beeindruckendsten ist freilich seine Geschäftstüchtigkeit jenseits der bezahlten Fernsehauftritte und Vorträge. Raffiniert versteckt im Impressum von saschalobo.com kommt sie zunächst ganz unscheinbar daher, mit einer simplen Bitte:
„Bitte helfen Sie mir, ein besser organisierter Mensch zu werden und schicken Sie mir postalisch nichts zu. Wirklich nichts.”
Aber dann geht es zur Sache:
„Nachdem selbst eindringliche Aufforderungen, mir nichts zuzuschicken, nicht gefruchtet haben, ändere ich meine Politik. Ab sofort (01. Jan. 2015) gilt: Wer mir unaufgefordert Werbesendungen, Werbegeschenke oder ähnliches ‚Informationsmaterial’ zuschickt, willigt damit in einen Vertrag ein, und zwar zu folgenden Bedingungen:
• der Versender beauftragt durch das Zuschicken einer unverlangten Zusendung unwiderruflich Sascha Lobo mit der Begutachtung der betreffenden Zusendung,
• die Begutachtung wird nicht dokumentiert und muss nicht nachgewiesen werden, die Begutachtungsleistung gilt bereits durch das bloße In-Empfang-Nehmen der unverlangten Zusendung als vollumfänglich erbracht
• der Stundensatz der Begutachtung durch Sascha Lobo beträgt 275,- EUR netto zzgl. Mehrwertsteuer, Mindestabnahme ist eine volle Stunde”
Es folgt die Postadresse.
Wenn man weiß, wozu Marketing-Angestellte in deutschen Konzernen heutzutage fähig sind, scheint es nicht ausgeschlossen, dass dies die beste Geschäftsidee ist, die Sascha Lobo je hatte.
reklamehimmel hat ihm testweise auch was zugeschickt. Raffinierterweise aber anonym.
Verfasst von Bernd Kreutz um 11:02 Uhr in Gerüchteküche | Permalink | Kommentare (2) | TrackBack (0)
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Gratulation!
Verfasst von Bernd Kreutz um 18:27 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Clinton-Tweet mit Wahlkampf-Logo von Pentagram
„Stresstest für die Augen”, „So macht sich das Netz über das Wahlkampf-Logo lustig”, „Es zeigt ein Pfeil nach nirgendwo”, „Von 5-Jährigem in Paint gemacht”, „Internet spottet über Clintons Logo”, „Erstsemesterarbeit”.
Die Inbrunst, mit der sich deutsche Journalisten, Werbe- und Gestaltungs-Fachleute über das Wahlkampf-Zeichen von Hillary Clinton echauffiert haben, ist erschütternd.
Unabhängig davon, dass sich aus der deutschen Tradition überwiegend vermurkster und verquaster Landtags- und Bundestags-Wahlkämpfe und deren medialer Begleitung keinerlei Legimität für Oberlehrer-Attitüden ableiten lässt, haben die Reaktionen vor allem eine ernüchternde Unkenntnis der politischen Verhältnisse in den USA offenbart.
Es mag ja unterhaltsam sein, wie „das Netz” über dieses Logo spottet. Nur: dieses Logo hat auf den Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den USA nullkommanull Einfluß. „Das Netz”, seine „Gemeinde” und deren Vertreter in den Medien benehmen sich dabei lediglich wie Lemminge und exakt in der Rolle, die ihnen von den Dramaturgen der als Demokratie verpackten Politik-Veranstaltung zugedacht ist: der Rolle der nützlichen Idioten.
Aber solange sie sich mit Logos beschäftigen, kommen sie logischerweise auf keine anderen dummen Gedanken.
Verfasst von Bernd Kreutz um 13:02 Uhr in Gehirnerschütterung | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Helmut Dietl mit Ingolf Lück bei Dreharbeiten für Yello Strom und Kreutz & Partner (Fotos: Mirko Krizanovic)
„Seelenlos.” „Witzlos.” „Albtraum.” „Desaster.” Das waren nur einige der Schlagworte, mit denen die Scharfrichter des deutschen Feuilletons Helmut Dietl und seinen Kinofilm „Zettl” im Februar 2012 hingerichtet haben. Letzten Samstag wurde der Regisseur und Drehbuchautor auf dem Nordfriedhof in München-Schwabing tatsächlich zu Grabe getragen.
Und wieder typisch für die Sittenwächter der deutschen Hochkultur: in keinem der unzähligen Nachrufe haben sie auch nur mit einem einzigen Wort eine von Dietls herausragendsten beruflichen Leistungen erwähnt – nämlich seine Beiträge zur Humanisierung der deutschen TV-Werbung.
Seelenlos. Witzlos. Albtraum. Desaster. Das waren bis Mitte der 1970er-Jahre die zutreffenden Charakterisierungen für den Großteil dessen, was in den Werbeblöcken unseres Fernsehens zu sehen war. Es war schließlich ein Amerikaner (Charles Greene von der Werbeagentur Grey) und ein US-Konzern (Procter & Gamble), die uns Deutschen dabei halfen, auch in der Fernseh-Werbung Verkrampfungen zu lösen – tatkräftig unterstützt von Helmut Dietl. Für das P&G-Waschmittel Lenor hat Dietl seinen ersten Fernsehspot gedreht und es hat nicht lange gedauert, bis sich auch andere Markenartikel-Hersteller seiner speziellen Fähigkeit bedienten, Alltagsprodukte in glaubwürdigen, menschlichen Alltagsgeschichten zu präsentieren (Henkel, Melitta, Dr. Oetker, Ferrero, Molkerei Alois Müller, um nur einige zu nennen).
Die Arbeit für diese Unternehmen und deren Werbeagenturen haben Dietl über Jahrzehnte den Freiraum verschafft, sich in Ruhe und ohne finanziellen Druck seinen eigenen Projekten widmen zu können. Und er war auch ehrlich genug zuzugeben, dass er ohne die Genauigkeit, die er beim Filmen von Werbespots gelernt hatte, seinen ersten Kinofilm („Schtonk”) nicht so hingekriegt hätte.
Verfasst von Bernd Kreutz um 13:23 Uhr in Heldenverehrung | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Säcke voller Geld, Gebrauchs-, Konsum- und Luxusgüter: alles aus Papier – alles zum Verbrennen (Fotos: Bernd Kreutz)
Eine großartige Ausstellung von Wolfgang Scheppe mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden wird gerade in der Festetage des Dresdner Residenzschlosses gezeigt. Leider nur noch bis 10. Mai 2015, täglich außer Dienstags.
Darum geht es:
„Eine der ältesten Formen chinesischen Volksglaubens erweist sich als lebendiger Brauch, der überall in der Kultur Chinas praktiziert wird: Brandopfer papierener Nachbildungen von Geld und Gütern, die mit dem Verbrennen Ahnen, Göttern und Geistern übergeben werden, um sie günstig zu stimmen oder ihre Nöte zu lindern, denn die chinesische Jenseitsvorstellung verbürgt eine Spiegelung der wirklichen Welt und die Geister der verstorbenen Verwandten sind als empfindungsfähige gedacht. Diese Papiermodelle haben sich jüngst von der Nachahmung traditioneller Erzeugnisse zu Abbildungen des westlichen Warenhauses gewandelt, denn man will den Angehörigen in der Nachwelt eben jene Güter zukommen lassen, die man selbst begehrt. So entstand eine Gegenwelt aus Papier, in der heute fast alle globalisierten Fetische des Markenkonsums, Gucci-Taschen, Prada-Schuhe, Louis Vuitton-Koffer, Chanel-Accessoires, Mobiltelephone, Apple-Computer, aber auch Heineken-Bierdosen und lebensgroße Autos dem Feuer übergeben werden, um sie den Vorfahren zu widmen.
Ein Supermarket of the Dead in der Festetage des Dresdner Residenzschlosses zeigt diesen gleichermaßen vertrauten wie verfremdeten Warenberg. Sein Anblick gewährt wesentliche Einsichten: Man erkennt die mit dem totalen Weltmarkt erreichte weltweite Verbindlichkeit der westlichen Verehrung von Markennamen und Luxusgütern. Man sieht, wie schnell sich die chinesische Gesellschaft an einer globalen Ordnung der Bedürfnisse ausgerichtet hat und sie zugleich mit einem mindestens 1300 Jahre alten Ritual verknüpft. Und man wird hingewiesen auf den quasi-sakralen Fetischismus im eigenen Konsum namhafter Markenprodukte, deren Nutzen nicht im Gebrauch, sondern in der ideellen Teilhabe an einem System von Bedeutung besteht – einem magischen Verhältnis also. Brandopfer und Markengeltung eint die Logik der Repräsentationsmagie, in der man der Befriedigung seiner Bedürfnisse nur mehr stellvertretend im Bild genügt.”
Mehr dazu hier. Und natürlich im dreibändigen, lesenswerten Ausstellungskatalog.
Verfasst von Bernd Kreutz um 14:28 Uhr in Wühltisch | Permalink | Kommentare (0) | TrackBack (0)
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Der Werbemann, der den Mainzer Unternehmer Thomas Neger weltweit bekannt machte (Bildschirmfoto Johannes Gutenberg-Universität, Mainz)
Das Firmenzeichen, das Furore machte (Foto: Thomas Neger GmbH)
Dr. Matthias Krings ist Professor für Ethnologie und populäre Kultur Afrikas an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit den thematischen Schwerpunkten Populäre Kultur, Medienethnologie, Religionsethnologie, Disability Studies.
Zwar werden an seiner akademischen Eignung inzwischen erhebliche Zweifel geäußert (siehe hier). Nicht bezweifelt werden kann jedoch, dass er mit seinem professoralen Engagement für eine in vielerlei Hinsicht äußerst fragwürdige Initiative den Mainzer Unternehmer Thomas Neger zum bekanntesten Dachdecker der Welt gemacht hat (reklamehimmel berichtete darüber, siehe hier).
Mit der Unterstellung, das Firmenzeichen der Firma Neger (die Silhouette einer afrikanischen Dachdeckerin) sei rassistisch und müsse deshalb umgehend entfernt werden, sollte Herr Neger durch öffentlichen Druck genötigt werden, auf sein seit über sechs Jahrzehnten genutztes Signet zu verzichten.
In einem Interview mit der Tageszeitung DIE WELT hat sich Prof. Dr. Krings so geäußert: „Ein solches Logo hat bestätigende Wirkung. Es implementiert rassistische Gedanken. Das ist mit Sexismus vergleichbar. Eine Werbung mit barbusiger Frau hier, ein Bildchen eines Mädchens im knappen Bikini da. Solche Darstellungen wirken als Katalysator sexistischer Anschauungen. Das Logo der Firma Neger verfestigt rassistische Vorurteile.“
Da der Herr Professor sich auch noch für einen verkannten Gebrauchsgrafiker hält, hat er Herrn Neger im selben Interview auch gleich einen Vorschlag unterbreitet, wie das „Problem” zu lösen sei. Zitat: „Ich würde ihm eine typografische Lösung ohne bildliche Umsetzung seines Nachnamens ans Herz legen, die in der Tradition seines Großvaters als Fastnachter steht. Thomas Neger ist ja selbst begeisterter Fastnachter. Zum Beispiel eine Narrenkappe über dem Namenszug. Nur bitte ohne Schwarzen.”
Damit es keine Missverständnisse gibt: diese Zitate sind echt, das ist kein Kabarett.
Der Professor aus Mainz war vermutlich sehr stolz, dass er von Massenmedien als Rassismus-Experte mit hohem Erregungs- und Empörungsfaktor gehandelt wurde. In einem akademischen Elfenbeinturm hausierend hat er freilich erheblich unterschätzt, dass vor seiner Tür das richtige Leben tobt. Und im richtigen Leben lassen sich Mehrheiten zwar durchaus von Minderheiten zum Guten bekehren, ungern aber für dumm verkaufen. Und schon gar nicht von hyperventilierenden Politaktivisten und skandalversessenen Massenmedien.
Resultat: Von BILD über DEUTSCHE WELLE TV bis zur WASHINGTON POST wurde über den Mainzer Sturm im Wasserglas berichtet. Und Herr Neger hatte zwischendurch jede Menge Ärger. An Professor Dr. Matthias Kriegs freilich wird sich vermutlich schon morgen niemand mehr erinnern. Aber die Geschichte von Thomas Neger und seiner „Negerin”, die wird sich vielen Menschen einprägen.
Und tausende potenzieller Kunden wissen jetzt, wo sie anrufen müssen, wenn sie mal einen Dachschaden haben.
Verfasst von Bernd Kreutz um 17:08 Uhr in Gehirnerschütterung | Permalink | Kommentare (1) | TrackBack (0)
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Albtraum der neuen deutschen Tugendwächter: zwei Neger mit Humor
„Demokratie ist so was von überschätzt.” So lautet die Schlagzeile eines Plakats, mit dem der Fernsehsender SKY derzeit die 3. Staffel seiner Erfolgsserie HOUSE of CARDS bewirbt. Das mag sich möglicherweise auch Felix Schmitt, ein Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aus Mainz gedacht haben, als er sich mit anderen „Aktivisten” vorgenommen hat, den Mainzer Unternehmer und CDU-Stadtrat Thomas Neger so lange an den Pranger zu stellen, bis dieser angebliche Rassist sein vom Opa erfundenes und quasi über Nacht rassistisch und menschenverachtend gewordenes Firmenzeichen verschwinden lässt.
Dabei ist das Zeichen, das eine afrikanische Dachdeckerin symbolisiert, in Wirklichkeit eine Liebeserklärung an das weibliche Geschlecht und war ein visueller Vorbote der Frauenbewegung. Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer wird es bezeugen können.
So wollen es aber die selbsternannten Mainzer Kämpfer gegen Rassismus partout nicht sehen.
Da die Damen und Herren dieses Aktionsbündnisses aber anscheinend kein Vertrauen in unseren Rechtsstaat und seine Rechtsordnung haben, greifen sie bei der Durchsetzung ihres Willens zu den Mitteln, die vor allem in demokratiefernen Staatsformen zur Diskreditierung politischer Gegner erste Wahl sind.
Ausgesprochen perfide: eine anonyme Plakataktion. Und für einen GRÜNEN obendrein besonders pervers: die Aufforderung, Facebook möge das inkriminierte Logo von Herrn Negers Facebook-Seite entfernen, weil es gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook verstoße. Ein GRÜNER wendet sich aus Furcht vor der Urteilsfähigkeit deutscher Richter wie ein kleiner, schmieriger Denunziant ausgerechnet an den FACEBOOK-Konzern, dessen Geschäftsmethoden ansonsten bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit lautstark beklagt werden.
Trotzdem: Zeitungen, Magazine, Radio- und Fernsehsender haben über den vermeintlichen Skandal ausführlich berichtet. Sogar die WASHINGTON POST hat ihre Leser argwöhnisch gefragt ”Is this German company’s logo racist?” Siehe hier.
Dabei liegt das wahre Problem wo ganz anders. Das Magazin CICERO hat es in einem Beitrag über politische Korrektheit schon im März 2013 angedeutet. Zitat: „Die sich ausbreitende neue Kultur der politischen Korrektheit basiert keinesfalls auf einer freieren gesellschaftlichen Moral. Sie bedient sich teilweise sogar noch autoritärer und tyrannischerer Methoden als die vorangegangene, da sie die robuste Autonomie und die aktive Handlungsfreiheit des Menschen nicht einmal mehr theoretisch für grundlegend erachtet. Stattdessen trachtet sie danach, den Menschen möglichst umfassend vor eigenem oder fremden Fehlverhalten zu schützen – also auch vor sich selbst und auf Kosten seiner Freiheit.”
Auch unter Deutschen mit schwarzer Hautfarbe scheint der Kampf der Mainzelmännchen gegen Rassismus durchaus fragwürdig zu sein. Man muss nur das ebenfalls 2013 erschienene Buch von Marius Jung lesen.
Er schreibt, dass für ihn die politische Korrektheit „die wohl unheilvollste Erfindung seit dem alkoholfreien Bier” sei. Er gibt zu bedenken: „Möchten Sie wirklich in einer Gesellschaft leben, die von solchen Menschen geprägt wird? Von Menschen, die tatsächlich Zeit und Energie darauf verschwenden, Kinderbuchklassiker von verbotenen Wörtern zu befreien? Ich eher nicht.”
Und er sorgt sich: „Darf man Mahatma Gandhi irgendwann nicht mehr erwähnen, weil sich herausstellt, dass er seinen Müll nicht getrennt hat?”
Selbst schwarze Deutsche wie Hans J. Massaquoi und Theodor Michael, die in ergreifenden und erschütternden Autobiographien über Kindheit und Jugend im Dritten Reich berichten, halten es für einen Irrglauben, dass man Rassismus mit dem Verbot von Wörtern wie Mohrenkopf bekämpfen könne.
Felix Schmitt von den Mainzer GRÜNEN hat vermutlich keines dieser Bücher gelesen. So etwas Anstrengendes und Zeitraubendes kann man sich in seiner Position wohl nicht auch noch leisten. Der Mann muss schließlich mehrmals am Tag seine Follower bei Twitter bedienen. Mit fast 20.000 Tweets hat er sie inzwischen schon bombardiert, ein Text belangloser als der andere. Ganz zu schweigen von seiner Schwerstarbeit mit diversen Facebook-Accounts.
Mit Demokratie hat das wahrlich nichts zu tun. Aber wir Deutschen sind ja noch am üben.
P.S.: Noch ein kleiner Tipp für Herrn Schmitt und seine Helfershelfer, angeregt von Eckhard Henscheid. Auch Mainzer Museen besitzen wahrscheinlich rassistische Kunstwerke. Wie wäre es mit verbrennen?
Nicht lustig, aber eine Pflichtlektüre: die Autobiographien von Hans J. Massaquoi und Theodor Michael
Wider die Dummheit rassistischer Klischees: mit Aufruf „An alle deutschen Neger!”
Und zu guter Letzt noch ein herrliches Gedicht von Peter Paul Althaus:
Vor dem Schlafgemach der Gräfin Ete la Peutête
steht ein riesenhafter Neger,
und er spielt auf einer sonderbar geformten Schnabelflöte
Schnabelflötenwiegenlieder von Max Reger.
Und die Fremden, welche durch die Traumstadt reisen,
fragen sich verwundert, was des Negers Tun bedeutet,
wenn der Schwarze, bald mit lauten Tönen, bald mit leisen,
flötend vor dem Schlafgemach der Gräfin
auf und nieder schreitet.
Sei’s den Fremden mitgeteilt:
Der Neger muß geträumten Schlangen,
die der Gräfin Ete la Peutête Schlummer stören –
daß es ihnen nicht gelinge, in die Kemenate zu gelangen –
muß der Neger sie, die Schlangen
mit dem Flötensang beschwören.
Und die Gräfin Ete la Peutête träumt zufolgedessen
statt von Schlangen von dem Schlangenbändiger,
hingegeben, selig, namenlos und selbstvergessen,
und wahrscheinlich noch viel unanständiger.
Verfasst von Bernd Kreutz um 18:28 Uhr in Gehirnerschütterung | Permalink | Kommentare (0)
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Aufsatz über das dümmste Wort der deutschen Werbung.
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Alles, was Firmengründer über Marken wissen müssen.
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