Angeblich eines der besten deutschen Werbefotos des Jahres 2015 (für einen Mini-Werbeetat der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung)
In der neuesten Repräsentativstudie über das Ansehen von Berufen in Deutschland gab es wieder einen erbitterten Kampf zwischen Journalisten und Werbern um die hintersten Plätze. Doch während sich manche Angehörige der Vierten Gewalt um den aktuellen Ruf und die Zukunft ihres Berufstandes sorgen (Stichwort „Lügenpresse”) und sich selbstkritisch mit ihrer öffentlichen Wahrnehmung auseinandersetzen, scheinen die Mitglieder der im Art Directors Club für Deutschland e.V. (ADC) vereinigten, selbsternannten „Elite” der kreativen Werbeberufe, immer noch nicht wahrhaben zu wollen, dass auch sie ein ernsthaftes Problem haben.
Dabei ist kaum etwas so offensichtlich wie der eklatante Ansehensverlust der deutschen Werbeschaffenden. Auf der Suche nach den Ursachen genügt es, den Mikrokosmos einer ADC-Preisverleihung für die angeblich „kreativsten und besten Arbeiten des Jahres 2015” unter die Lupe zu nehmen, beispielsweise in der Kategorie Werbefotografie.
Zur Einordnung: Fast 30 Milliarden Euro haben (laut Nielsen) Unternehmen im vergangenen Jahr hierzulande alleine in sogenannten „Above-the-line”-Medien ausgegeben. Ganz zu schweigen von dem vermutlich erheblich höheren Betrag, der diesseits klassischer Massenmedien investiert wurde. Dass bei diesen Milliardenausgaben auch ein paar hundert Millionen Euro für Werbefotografie (für Kataloge, Prospekte, Verkaufsförderungsmaterial, Anzeigen, Plakate, digitale Medien etc.) abgefallen sein müssten, liegt auf der Hand.
Beim jährlichen ADC-Kreativwettbewerb, so sollte man vermuten, würden also Hunderte von Werbefotografen mit Tausenden von Arbeiten um die angeblich prestigeträchtigen und eigenwerbungsfördernden Auszeichnungen ringen. Auch eine aus nicht weniger als vierzehn Mitgliedern bestehende Fachjury scheint für einen soliden Ansturm gerüstet gewesen zu sein.
Die Teilnahmebedingungen am Wettbewerb sind einfach gehalten: „Eingereicht werden können fotografische Arbeiten, die im werblichen Auftrag entstanden sind und veröffentlicht wurden, sowie Arbeiten, die durch Werbekunden an den Fotografen beauftragt wurden.”
Auch die Bewertungskriterien für eine ausgezeichnete Arbeit sind einleuchtend: „Die Jury beurteilt ausschließlich die kreative Qualität nach den ADC Kriterien: Originalität – Ist die Arbeit originär und originell? Klarheit – Kommuniziert die Arbeit ihre Inhalte verständlich? Kraft – Bewirkt die Arbeit eine Bewusstseinsveränderung? Machart – Ist die Arbeit handwerklich überzeugend? Freude – Beglückt, berührt oder bereichert die Arbeit?”
Entsprechend präzise sind die Preiskategorien definiert: „Auszeichnung für eine Arbeit, die den ADC Kriterien entspricht. Bronze für eine außerordentlich kreative Arbeit in ihrer jeweiligen Kategorie. Silber für eine Arbeit, die in ihrer Kategorie Maßstäbe setzt. Gold für eine Arbeit, die besonders herausragend ist und ihre jeweilige Kategorie neu definiert.”
Und das sind die Gewinner:
Gold für die Fotos zu der Anzeigenserie „Ihr Kopf kann was erleben” der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, fotografiert von Kai-Uwe Gundlach (Beispiel siehe oben). Gold für die Fotos zur Fatum Surfboard-Anzeigenserie „My Everest” fotografiert von Ray Collins. Auszeichnung für Porträts von Basketballspielern des FC Bayern München im Auftrag von dessen Sponsor BayWa AG, fotografiert von Uwe Düttmann.
Zweimal ADC-Gold, eine einzige ADC-Auszeichnung – aber alles krasse Fehlentscheidungen.
Nach den ADC-Kriterien hätte die Anzeigenserie der FAS, deren Fotos weder „herausragend” sind und schon gar nicht „ihre Kategorie neu definieren”, keinesfalls Gold verdient; für die Fatum-Surfbilder hingegen wäre Gold sicher gerechtfertigt gewesen – sofern sie tatsächlich „im werblichen Auftrag entstanden sind und veröffentlicht wurden” und nicht etwa aus dem umfangreichen Archiv des weltberühmten australischen Surf-Fotografen geholt wurden, was jeder vermutet, wer dessen Arbeit seit Jahren verfolgt. Eine Auszeichnung für die Basketballer-Porträts des FC Bayern München mögen vielleicht einige Basketball-Fans gut finden, aber wahnsinnig „originär und originell” sind sie nun wirklich nicht.
Das alles ist freilich nebensächlich, denn das eigentlich Erschreckende ist, dass in den Augen der vierzehn Juroren nicht mehr als diese drei Arbeiten in der Kategorie Werbefotografie für gut genug befunden wurden, um prämiert zu werden.
Drei Arbeiten in einem Jahr – und das in einem Multimillionenmarkt!
Wie das? Es gibt dafür nur zwei mögliche Erklärungen. Die erste: es gab nur diese drei Einsendungen. Die zweite: es gab zwar mehr als drei Einsendungen, aber sie alle waren zu grausam, als dass man eine einzige davon hätte beehren können.
So oder so. Beides ist eine Bankrotterklärung für den ADC.
Es ist aber auch kein Ruhmesblatt für die deutsche Werbung insgesamt – jedenfalls dann nicht, wenn man Kreativität für etwas hält, was in der Werbung wirklich gebraucht wird, um zum wirtschaftlichen Erfolg ihrer Auftraggeber beizutragen.
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