„SPIEGEL-Leser wissen mehr″ lautete über Jahrzehnte der Werbeslogan des Hamburger Magazins. Tatsächlich wussten SPIEGEL-Leser häufig mehr – und zwar nachdem sie das Blatt gelesen hatten.
Das ist lange her. Heute wissen SPIEGEL-Leser schon mehr, ohne das Blatt gelesen zu haben.
Hier nur ein kleines Beispiel aus der aktuellen Titelgeschichte, geschrieben von Ullrich Fichtner, laut Impressum Autor und/oder Reporter im Ressort Gesellschaft:
„Weiß das eigentlich jeder? Dass der SPIEGEL oder die ,New York Times’ das Geld für jede über den iTunes-Store verkaufte iPad-Ausgabe mit dem Apple-Konzern teilen muss? Und dass Apple da richtig zulangt? Weiß jeder, dass weiterhin das Gros aller Nachrichten von Belang von den klassischen Medien produziert wird, ohne dass irgendeine parasitäre Internetplattform dafür auch nur einen Cent bezahlte? Dass das Internet mitsamt seinen Millionen schicken Start-ups die ökonomischen Grundlagen des Journalismus zwar nach Kräften zerstört – seine gesellschaftlichen Aufgaben und redaktionellen Leistungen im Gegenzug aber nicht oder nicht ausreichend übernimmt?“
Nein, Herr Fichtner, das alles wusste bislang niemand. Was schon jeder halbwegs informierte Nicht-SPIEGEL-Leser aber weiß ist folgendes:
Weder SPIEGEL noch NYT müssen DAS GELD mit dem Apple-Konzern teilen. Beide haben freiwillig einen Vertrag über den Vertrieb ihrer digitalen Produkte abgeschlossen und bezahlen für die damit verbundenen Leistungen lächerliche dreißig Prozent des Bruttoverkaufspreises. Also erheblich weniger als für Druck und Vertrieb der gedruckten Ausgabe.
Das Gros aller Nachrichten VON BELANG wird auch nicht von klassischen Medien produziert, sondern von denen nur publiziert. Produziert werden sie von Nachrichtenagenturen.
Und das irgendwelche „parasitäre Internetplattformen″ bislang Gratis-Dienstleistungen zur Reichweiten-Optimierung von Medienanbietern offerieren, sollten Sie lieber dankend zur Kenntnis nehmen.
DAS INTERNET hat die ökonomischen Grundlagen des Journalismus genau sowenig zerstört wie etwa die Zusteller der DEUTSCHE POST.
Auch gehört es nicht zu den Aufgaben von Millionen von schicken Start-ups, gesellschaftliche Aufgaben zu übernehmen – es reicht völlig aus, wenn die nützliche Produkte zustande bringen und Arbeitsplätze schaffen.
Die wahre Gefahr für Medienunternehmen und Gesellschaft sind leider Journalisten wie Sie, Herr Fichtner.
Da hilft auch der neue SPIEGEL-Slogan nicht. Er ist nichts als ein dummer Spruch. Siehe oben.
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